Sonntag, 5. Juli 2009

Klappe zu

Die „neue Münchner Lässigkeit“ sieht für die „Süddeutsche Zeitung“ so aus: Jeden Nachmittag sitzt der Filmveteran Klaus Lemke in einem Unicafé und hält Sprechstunde, um „attraktive Mädchen“ und „Cowboys“ für seinen neuen Film zu casten. Was die Zeitung wohl nur deswegen erwähnenswert findet, weil die Schwabinger Filmhelden schon lange ihr Starpotential verloren haben.
Früher lud man nicht per Zeitung zur Sprechstunde, früher hielt man an der Leopoldstraße Hof. Fassbinder wohnte um die Ecke in der Stoßburg, Zacher kurvte im Amischlitten durch’s Viertel und wähnte in jedem nachfolgenden Wagen Drogenfahnder. Eichinger reanimierte Opas Kino, indem er die Constantin-Film von Sendling nach Schwabing holte. Drehbuchautoren kamen mit Baseballschlägern zu Projektbeprechungen, weil gerade ein Zuhälterkrieg tobte.
Glamour verband sich mit Sex & Drugs & Rock’n’Roll, und wer es nicht am eigenen Leib erlebte, konnte es in Eckhart Schmidts Fanzine „S!A!U!“ nachschlagen – dessen gesammelten Bände in der Stabi ausliegen. (Lesen!) Die Filmhochschule residierte noch in der Kaulbachstraße, zwischen Münchens Herz und Lunge, schräg gegenüber von AFN. Und wer es als Filmstudent zu etwas gebracht hatte, fand auf der anderen Seite des Siegestors, direkt neben ARRI beim Filmverlag der Autoren, bei Hark Bohm, Wim Wenders, Hans W. Geissendörfer & Co einen starken Partner. Es sollte der kürzeste Weg von München nach Hollywood sein, doch die meisten von ihnen, ob Schauspieler, Autoren oder Filmemacher, sind heute tot, in Berlin oder bei der „Lindenstraße“. Selbst das gerade laufende Filmfest hat seine Schwabinger Spielstätten im Stich gelassen und sich rund um den Gasteiger Affenfelsen zurückgezogen.
Die Constantin macht besseres Fernsehen, die Leopoldstraße ist fest in der Hand der Handycam-Generation, nur das Monopol-Kino in der Feilitzschstraße steht noch für den Elan kompromissloser Filmafficionados. (Hingehen!) Und in der Gabelsberger Straße wächst ein Neubau für die Rückkehr der Filmhochschule aus Giesing. Höchste Zeit für eine Generation neuer Schwabinger Filmemacher. (Hoffen!)

Dieser Text erschien zuerst in der Juli-Ausgabe des Münchner „Spy Magazins“.