Mittwoch, 8. April 2009

Die Buchstabenfee

Die Bohème ist tot. Wo früher Maxim Biller zwischen Hohenzollern- und Leopoldstraße den giftspritzenden Schwabinger Taliban gab und Rainald Goetz an seiner eigenen Legende strickte, sind die Lebenskünstler samt ihrer Cafés, Clubs und Klitschen den Warenwirtschaftssystemen der Filialisten gewichen, wie wir sie aus jeder durchschnittlichen Fußgängerzone kennen.
Und selbst im akademische Wurmfortsatz rund um die Uni verdrängen Milchschaumschläger und schnieke Boutiquenbesitzerinnen die niedlichen Antiquariate, in denen man literarische Schätze bergen, aber noch viel wichtiger: Wertvolles aus dem eigenen Bücherschrank verkaufen konnte, wenn es am Monatsende mal wieder eng wurde.
Das kreative Feuer rund um die Kunstakademie ist längst in eine Museumsvitrine verbannt, und ich rede nicht von Malerfürsten, Satirikern und der Bohème des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, sondern von Hippies, Punkern, Neuer Deutschen Welle und Techno.
Doch manchmal springt ein Funken in die Gegenwart über: 1998 hat Alexa Hennig von Lange mit ihrem Debütroman „Relax“ ein Münchner Sommerwochenende zwischen Bier, Shit, Kokain und Ecstasy skizziert, nun kehrt die ehemalige Schwabingerin in ihr altes Viertel am Elisabethplatz zurück, um am 20. April aus ihrem neuen Roman „Peace“ zu lesen. (Update: Da die Renovierung des ehemaligen Untertons nicht rechtzeitig fertig wird, findet die Lesung nunmehr um 20.30 Uhr im bisherigen Theater Undsofort, in der Hans-Sachs-Straße 12 Telefon 23219877, statt.)
An die Gegend hat sie nicht nur gute Erinnerungen: „Dort wurde ich auch einmal von Polizeibeamten des nachts gestellt, weil sie irrtümlich meinten, ich hätte eine Sektflasche auf die Windschutzscheibe eines fahrenden Autos geworfen. Mitnichten. Dennoch wurde ich unschuldig verurteilt.“ Was die Buchstabenfee in meinen Augen nur attraktiver macht: Man traut ihr eben alles zu.

Dieser Text erschien zuerst in der April-Ausgabe des Münchner „Spy Magazins“.