Café. Coffeeshop. Bar. Cucina. An jeder Ecke. Und zwischendrin. Irgendwann, wenn auch der letzte Schreib- oder Haushaltswarenladen vertrieben wurde, werden sie die Lokale nicht mehr nur aneinanderreihen, sondern vertikal in ein- und demselben Haus stapeln müssen. München, Metropole der selbst ernannten Cappuccinisten, goes Tokyo.
Mag Helmut Dietl in den siebziger Jahren noch gefragt haben, „woran es liegt, dass der Einzelne sich nicht wohl fühlt, obwohl es uns allen doch so gut geht“, so ist das Mysterium des 21. Jahrhunderts, wieso die Lokale mit ihren überteuerten Kaffeeschaumgetränken und Spritzkelchen – selbst tagsüber – gut besucht sind, wo unsere finanzielle Situation doch längst recht prekär ist. Doch warum soll man über die Wirtschaften Schwabings und des Akademieviertels schreiben, unterscheiden sie sich doch kaum von denen Neuhausens, des Lehels oder der Isarvorstadt.
Es sind die Gäste, die anders sind, die Künstler. Natürlich haben wir keine Exklusivrechte an Münchens Schriftstellern und Pinselschwenkern, aber nirgendwo sind sie dem Erbe der legendären Maler- und Dichterfürsten so nah wie hier zwischen Pinakothek und Kunstakademie, Autorenbuchhandlung und Lyrik-Kabinett. Genius loci. Während ein emsig in sein Blankobrevier Kritzelnder in der Favorit-Bar, also Altstadt, nur peinlich wirkt, würde man demselben Poser im Barer 61 zugute halten, dass es vielleicht doch nicht nur seine Aufrissmasche ist.
Könnte ja der kommende Bachmannpreisträger sein. Oder Biennale-Star. Der einen zwar auch nur abgeschleppt. Aber als Muse. Oder Modell. Eine nach der anderen.
Weshalb ich es mir kaum vorstellen kann, dass Manuskriptum, die Literatenschmiede der LMU, ihr 10-Jähriges am 13. November im winzigen Lyrik-Kabinett feiert. Allein die Schar der Verflossenen müsste doch reichen, bei der Jubiläumslesung einen großen Unisaal im Hauptgebäude gegenüber zu füllen. Von den Frauen, die sich noch Hoffnung machen, ganz zu schweigen.
Die wirklich Schönen, die nicht in Worten, sondern nur in strahlendsten Farben zu verewigen sind, vielleicht weil sie die Werke auch gerne bezahlen, feiern dagegen am 28. November in der Pinakothek der Moderne. „Let’s party for a piece of art“ – klingt eher nach einer Einladung für Kunstkannibalen, denn nach einem guten Zweck.
Dieser Text erschien zuerst in der November-Ausgabe des Münchner „Spy Magazins“.
Montag, 2. November 2009
Samstag, 3. Oktober 2009
Büchernarren
Die Zeitschriften! Die Verlage! Die ganze Schriftstellerbohème! Wann immer die Rede auf Schwabing und das Univiertel kommt, landet man schnell bei der jahrhundertealten literarischen Tradition, vergisst aber gerne, dass all die Druckerschwärze nicht viel mehr als geistreicher Schmutz wäre, wenn es nicht die Leser gäbe, die Büchernarren, die all die Zeitschriften, Verlage, Schriftsteller überlebt haben und bis heute durch die Straßen geistern, Jäger des verlorenen Schatzes, die selbst dieser Tage die Antiquariate durchwühlen und lieber ihre Nase in mühsam gefundenes Papier stecken als den gleichen Content bei Google Books frei Haus abzuschöpfen.
Der Sammler
Er riecht gut, nach Offizier und Gentleman und Knize Ten, trägt einen Oberlippenbart und ist auch sonst nicht von dieser Welt, entstammt vielmehr dem Kosmos Aubrey Beardsleys und der Münchner Secession. Stundenlang vermag er sich über Erstdrucke und Erotica auszulassen, sich selbst dabei sein liebster Zuhörer, und jedes Mal, wenn ich ihn durchs Akademieviertel streifen sehe und wieder ein Jahr verstrichen ist, nehme ich mir aufs Neue vor, ihn mit all seinen Schätzen und Anekdoten in einen Videopodcast zu bannen, wohl wissend, dass die Magie dann dahin wäre und er seinen Reichtum niemals mit einem Kameraobjektiv teilen würde, aber gern mit einer Zufallsbekanntschaft auf der Straße.
Der Händler
Steht selbst in einem Museumsbuchladen, verlegt Kunstpostkarten und verliert sich nichtsdestotrotz nach Feierabend in zwielichtigen Bücherkaschemmen, entdeckt hie einen vergriffenen Bildband, dort ein exotisches Fundstück und muß sich dann ein Taxi bestellen, da er die erworbenen Schätze nicht allein tragen kann.
Der Autor
Koreanische Kunst? Deutscher Sexschund? Für ihn gibt es keine abseitigen Themen, denn Bücher haben eine vom profanen Inhalt befreite Magie. Er kauft französische Originalausgaben, ohne auch nur einen einzigen Satz verstehen zu können, liebt diese unentzifferbaren Werke aber nicht weniger, sondern würde sie sich am liebsten alle unters Kopfkissen stecken, um im Schlaf von ihnen befruchtet zu werden. Was ihn nicht davon abhält, selbst liebgewonnene Pretiosen auf dem Flohmarkt zu verscherbeln, wenn er dringend Geld braucht, um sein Handy wieder zu entsperren. Warum auch nicht, gilt es doch die Magie des Gedruckten wie ein Feuer weiterzureichen.
Dieser Text erschien zuerst in der Oktober-Ausgabe des Münchner „Spy Magazins“.
Der Sammler
Er riecht gut, nach Offizier und Gentleman und Knize Ten, trägt einen Oberlippenbart und ist auch sonst nicht von dieser Welt, entstammt vielmehr dem Kosmos Aubrey Beardsleys und der Münchner Secession. Stundenlang vermag er sich über Erstdrucke und Erotica auszulassen, sich selbst dabei sein liebster Zuhörer, und jedes Mal, wenn ich ihn durchs Akademieviertel streifen sehe und wieder ein Jahr verstrichen ist, nehme ich mir aufs Neue vor, ihn mit all seinen Schätzen und Anekdoten in einen Videopodcast zu bannen, wohl wissend, dass die Magie dann dahin wäre und er seinen Reichtum niemals mit einem Kameraobjektiv teilen würde, aber gern mit einer Zufallsbekanntschaft auf der Straße.
Der Händler
Steht selbst in einem Museumsbuchladen, verlegt Kunstpostkarten und verliert sich nichtsdestotrotz nach Feierabend in zwielichtigen Bücherkaschemmen, entdeckt hie einen vergriffenen Bildband, dort ein exotisches Fundstück und muß sich dann ein Taxi bestellen, da er die erworbenen Schätze nicht allein tragen kann.
Der Autor
Koreanische Kunst? Deutscher Sexschund? Für ihn gibt es keine abseitigen Themen, denn Bücher haben eine vom profanen Inhalt befreite Magie. Er kauft französische Originalausgaben, ohne auch nur einen einzigen Satz verstehen zu können, liebt diese unentzifferbaren Werke aber nicht weniger, sondern würde sie sich am liebsten alle unters Kopfkissen stecken, um im Schlaf von ihnen befruchtet zu werden. Was ihn nicht davon abhält, selbst liebgewonnene Pretiosen auf dem Flohmarkt zu verscherbeln, wenn er dringend Geld braucht, um sein Handy wieder zu entsperren. Warum auch nicht, gilt es doch die Magie des Gedruckten wie ein Feuer weiterzureichen.
Dieser Text erschien zuerst in der Oktober-Ausgabe des Münchner „Spy Magazins“.
Freitag, 4. September 2009
Gebrauchsanweisung
Mia san mia. Aber anderswo is a schee. Was gibt es Vernüftigeres als zwischen München und Berlin zu pendeln, um beides auszukosten, statt immer nur übereinander zu lästern? Wieso sollte man Schwabing und das Gärtnerplatzviertel aneinander messen oder gar gegeneinander ausspielen, statt hie wie dort das Beste auszukosten?
Wie kann eine Süddeutsche Zeitung nur behaupten, dass „alle glücklich sind“, wenn im Univiertel die Subkultur droht (was ein PR-Märchen war) und im Gärtnerplatzviertel die „Gentrifizierung“? Denn im Grunde sind sich beide Viertel ähnlicher als vielen lieb ist.
Das fängt schon bei der Schwierigkeit an, sie zu benennen: Reden wir von Schwabing, Maxvorstadt, Uni- oder Akademieviertel? Meine ich Isarvorstadt, Gärtnerplatz- oder Glockenbachviertel?
Doch wie immer man die Straßenzüge nennt, finden wir in ihnen die gleichen Dreiklang aus brutzelnder Piadina, perlendem Spritz und dem Apple-Ping, wenn das Silberbaby gestartet wird. Nur dass sich auf dem Planeten Schwabylon ein sattes Röhren darunter mischt, dass man achten sollte, um hier nicht unangenehm aufzufallen:
Dieser Text erschien zuerst in der September-Ausgabe des Münchner „Spy Magazins“.
Wie kann eine Süddeutsche Zeitung nur behaupten, dass „alle glücklich sind“, wenn im Univiertel die Subkultur droht (was ein PR-Märchen war) und im Gärtnerplatzviertel die „Gentrifizierung“? Denn im Grunde sind sich beide Viertel ähnlicher als vielen lieb ist.
Das fängt schon bei der Schwierigkeit an, sie zu benennen: Reden wir von Schwabing, Maxvorstadt, Uni- oder Akademieviertel? Meine ich Isarvorstadt, Gärtnerplatz- oder Glockenbachviertel?
Doch wie immer man die Straßenzüge nennt, finden wir in ihnen die gleichen Dreiklang aus brutzelnder Piadina, perlendem Spritz und dem Apple-Ping, wenn das Silberbaby gestartet wird. Nur dass sich auf dem Planeten Schwabylon ein sattes Röhren darunter mischt, dass man achten sollte, um hier nicht unangenehm aufzufallen:
- Der Schwabinger bewegt sich vielleicht auch zu Fuß oder auf dem Fahrrad, aber er verehrt Autos. Besonders wenn sie teuer (BMW, Porsche, Jaguar) sind oder alt genug (Citroen DS, NSU Ro 80, Fiat 500, Jaguar), um täglich daran herumzuschrauben. Nimmt einem so eine Karosse die Vorfahrt, parkt sie uns zu oder gleitet sie auch nur einfach an uns vorbei, ist ein bewundernder Blick das Mindeste!
- Legendäre Schwabinger Clubs wie das Cosy, die Klappe, der Wolkenkratzer oder die Tangente haben längst das Zeitliche gesegnet, aber – trotz heftigstem Drogenkonsum – nicht deren Klientel. Und so gibt es in Schwabing noch einige in die Jahre gekommene, lauthals im Café herumröhrende Platzhirsche, in der Regel Filmemacher, Autoren, Fotografen, die zwar vom Alter her der Eltern- und Großelterngeneration angehören, aber zutiefst überzeugt sind, unter Fickundzwanzigjährigen nicht weiter aufzufallen. Verschont sie mit mitleidigen Blicken.
Dieser Text erschien zuerst in der September-Ausgabe des Münchner „Spy Magazins“.
Sonntag, 5. Juli 2009
Klappe zu
Die „neue Münchner Lässigkeit“ sieht für die „Süddeutsche Zeitung“ so aus: Jeden Nachmittag sitzt der Filmveteran Klaus Lemke in einem Unicafé und hält Sprechstunde, um „attraktive Mädchen“ und „Cowboys“ für seinen neuen Film zu casten. Was die Zeitung wohl nur deswegen erwähnenswert findet, weil die Schwabinger Filmhelden schon lange ihr Starpotential verloren haben.
Früher lud man nicht per Zeitung zur Sprechstunde, früher hielt man an der Leopoldstraße Hof. Fassbinder wohnte um die Ecke in der Stoßburg, Zacher kurvte im Amischlitten durch’s Viertel und wähnte in jedem nachfolgenden Wagen Drogenfahnder. Eichinger reanimierte Opas Kino, indem er die Constantin-Film von Sendling nach Schwabing holte. Drehbuchautoren kamen mit Baseballschlägern zu Projektbeprechungen, weil gerade ein Zuhälterkrieg tobte.
Glamour verband sich mit Sex & Drugs & Rock’n’Roll, und wer es nicht am eigenen Leib erlebte, konnte es in Eckhart Schmidts Fanzine „S!A!U!“ nachschlagen – dessen gesammelten Bände in der Stabi ausliegen. (Lesen!) Die Filmhochschule residierte noch in der Kaulbachstraße, zwischen Münchens Herz und Lunge, schräg gegenüber von AFN. Und wer es als Filmstudent zu etwas gebracht hatte, fand auf der anderen Seite des Siegestors, direkt neben ARRI beim Filmverlag der Autoren, bei Hark Bohm, Wim Wenders, Hans W. Geissendörfer & Co einen starken Partner. Es sollte der kürzeste Weg von München nach Hollywood sein, doch die meisten von ihnen, ob Schauspieler, Autoren oder Filmemacher, sind heute tot, in Berlin oder bei der „Lindenstraße“. Selbst das gerade laufende Filmfest hat seine Schwabinger Spielstätten im Stich gelassen und sich rund um den Gasteiger Affenfelsen zurückgezogen.
Die Constantin macht besseres Fernsehen, die Leopoldstraße ist fest in der Hand der Handycam-Generation, nur das Monopol-Kino in der Feilitzschstraße steht noch für den Elan kompromissloser Filmafficionados. (Hingehen!) Und in der Gabelsberger Straße wächst ein Neubau für die Rückkehr der Filmhochschule aus Giesing. Höchste Zeit für eine Generation neuer Schwabinger Filmemacher. (Hoffen!)
Dieser Text erschien zuerst in der Juli-Ausgabe des Münchner „Spy Magazins“.
Früher lud man nicht per Zeitung zur Sprechstunde, früher hielt man an der Leopoldstraße Hof. Fassbinder wohnte um die Ecke in der Stoßburg, Zacher kurvte im Amischlitten durch’s Viertel und wähnte in jedem nachfolgenden Wagen Drogenfahnder. Eichinger reanimierte Opas Kino, indem er die Constantin-Film von Sendling nach Schwabing holte. Drehbuchautoren kamen mit Baseballschlägern zu Projektbeprechungen, weil gerade ein Zuhälterkrieg tobte.
Glamour verband sich mit Sex & Drugs & Rock’n’Roll, und wer es nicht am eigenen Leib erlebte, konnte es in Eckhart Schmidts Fanzine „S!A!U!“ nachschlagen – dessen gesammelten Bände in der Stabi ausliegen. (Lesen!) Die Filmhochschule residierte noch in der Kaulbachstraße, zwischen Münchens Herz und Lunge, schräg gegenüber von AFN. Und wer es als Filmstudent zu etwas gebracht hatte, fand auf der anderen Seite des Siegestors, direkt neben ARRI beim Filmverlag der Autoren, bei Hark Bohm, Wim Wenders, Hans W. Geissendörfer & Co einen starken Partner. Es sollte der kürzeste Weg von München nach Hollywood sein, doch die meisten von ihnen, ob Schauspieler, Autoren oder Filmemacher, sind heute tot, in Berlin oder bei der „Lindenstraße“. Selbst das gerade laufende Filmfest hat seine Schwabinger Spielstätten im Stich gelassen und sich rund um den Gasteiger Affenfelsen zurückgezogen.
Die Constantin macht besseres Fernsehen, die Leopoldstraße ist fest in der Hand der Handycam-Generation, nur das Monopol-Kino in der Feilitzschstraße steht noch für den Elan kompromissloser Filmafficionados. (Hingehen!) Und in der Gabelsberger Straße wächst ein Neubau für die Rückkehr der Filmhochschule aus Giesing. Höchste Zeit für eine Generation neuer Schwabinger Filmemacher. (Hoffen!)
Dieser Text erschien zuerst in der Juli-Ausgabe des Münchner „Spy Magazins“.
Dienstag, 5. Mai 2009
Körperkultur
Nichts gegen die Handballtradition eines MTSV Schwabing oder die altehrwürdige Universitätsreitschule, aber Sport, nein der Sport ist hier im Viertel wirklich nicht daheim. Die Sporthelden bevorzugen Gern, Grünwald oder Herzogpark, während der Planet Schwabylon eher Sportschicksen wie Sandy und Verena anlockt, eben bella figura statt Körperertüchtigung.
Wenn aus den Tiefen des Englischen Gartens einmal ein Ausnahmesportler wie Göktan sich in die Sportseiten der AZ und SZ hochdribbelt, kann es auch nur ein böses Koksende nehmen. Die Rasenkünstler der Eisbachliga wollen nicht unnötig schwitzen, oder etwa jemanden besiegen, ihnen dient die Bewegung dazu, gut auszusehen, cool auszusehen und möglichst nahtlos braun zu werden. Da reicht es vollauf, Frisbee zu spielen, Federball oder auf einem schnell gespannten Seil zu balancieren, als Münchner Antwort auf den Cirque de soleil.
Die wahren Stars in der Manege machen sich aber nicht mit den Gammlern und Langhänsen auf der grünen Wiese gemein, sie pilgern mit Beginn der Freibadsaison am 1. Mai zum Kaiserbecken ins Ungererbad. Die dort zur Schau gestellten Brustimplantate mögen schon ein paar Jahre alt sein, der Tanga nicht aus der neuesten Kollektion und der braunlederne Hautton von viel Tagesfreizeit zeugen, aber an Gelassenheit und Würde kann es niemand mit ihnen aufnehmen.
Und wenn es diesen Sommer mal ausnahmsweise kein Kaiserwetter geben sollte, bleibt den Lebenskünstlern und ewigen Studenten die neue Minigolfboutique in der Amalienstraße 46. Eine Indoorbahn oder vielmehr so winziges Bähnchen, dass man auch vom Minigolf in der Dose sprechen könnte.
Dieser Text sollte in der Mai-Ausgabe des Münchner „Spy Magazins“ erscheinen. Versehentlich wurde aber erneut meine April-Kolumne abgedruckt.
Wenn aus den Tiefen des Englischen Gartens einmal ein Ausnahmesportler wie Göktan sich in die Sportseiten der AZ und SZ hochdribbelt, kann es auch nur ein böses Koksende nehmen. Die Rasenkünstler der Eisbachliga wollen nicht unnötig schwitzen, oder etwa jemanden besiegen, ihnen dient die Bewegung dazu, gut auszusehen, cool auszusehen und möglichst nahtlos braun zu werden. Da reicht es vollauf, Frisbee zu spielen, Federball oder auf einem schnell gespannten Seil zu balancieren, als Münchner Antwort auf den Cirque de soleil.
Die wahren Stars in der Manege machen sich aber nicht mit den Gammlern und Langhänsen auf der grünen Wiese gemein, sie pilgern mit Beginn der Freibadsaison am 1. Mai zum Kaiserbecken ins Ungererbad. Die dort zur Schau gestellten Brustimplantate mögen schon ein paar Jahre alt sein, der Tanga nicht aus der neuesten Kollektion und der braunlederne Hautton von viel Tagesfreizeit zeugen, aber an Gelassenheit und Würde kann es niemand mit ihnen aufnehmen.
Und wenn es diesen Sommer mal ausnahmsweise kein Kaiserwetter geben sollte, bleibt den Lebenskünstlern und ewigen Studenten die neue Minigolfboutique in der Amalienstraße 46. Eine Indoorbahn oder vielmehr so winziges Bähnchen, dass man auch vom Minigolf in der Dose sprechen könnte.
Dieser Text sollte in der Mai-Ausgabe des Münchner „Spy Magazins“ erscheinen. Versehentlich wurde aber erneut meine April-Kolumne abgedruckt.
Mittwoch, 8. April 2009
Die Buchstabenfee
Die Bohème ist tot. Wo früher Maxim Biller zwischen Hohenzollern- und Leopoldstraße den giftspritzenden Schwabinger Taliban gab und Rainald Goetz an seiner eigenen Legende strickte, sind die Lebenskünstler samt ihrer Cafés, Clubs und Klitschen den Warenwirtschaftssystemen der Filialisten gewichen, wie wir sie aus jeder durchschnittlichen Fußgängerzone kennen.
Und selbst im akademische Wurmfortsatz rund um die Uni verdrängen Milchschaumschläger und schnieke Boutiquenbesitzerinnen die niedlichen Antiquariate, in denen man literarische Schätze bergen, aber noch viel wichtiger: Wertvolles aus dem eigenen Bücherschrank verkaufen konnte, wenn es am Monatsende mal wieder eng wurde.
Das kreative Feuer rund um die Kunstakademie ist längst in eine Museumsvitrine verbannt, und ich rede nicht von Malerfürsten, Satirikern und der Bohème des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, sondern von Hippies, Punkern, Neuer Deutschen Welle und Techno.
Doch manchmal springt ein Funken in die Gegenwart über: 1998 hat Alexa Hennig von Lange mit ihrem Debütroman „Relax“ ein Münchner Sommerwochenende zwischen Bier, Shit, Kokain und Ecstasy skizziert, nun kehrt die ehemalige Schwabingerin in ihr altes Viertel am Elisabethplatz zurück, um am 20. April aus ihrem neuen Roman „Peace“ zu lesen. (Update: Da die Renovierung des ehemaligen Untertons nicht rechtzeitig fertig wird, findet die Lesung nunmehr um 20.30 Uhr im bisherigen Theater Undsofort, in der Hans-Sachs-Straße 12 Telefon 23219877, statt.)
An die Gegend hat sie nicht nur gute Erinnerungen: „Dort wurde ich auch einmal von Polizeibeamten des nachts gestellt, weil sie irrtümlich meinten, ich hätte eine Sektflasche auf die Windschutzscheibe eines fahrenden Autos geworfen. Mitnichten. Dennoch wurde ich unschuldig verurteilt.“ Was die Buchstabenfee in meinen Augen nur attraktiver macht: Man traut ihr eben alles zu.
Dieser Text erschien zuerst in der April-Ausgabe des Münchner „Spy Magazins“.
Und selbst im akademische Wurmfortsatz rund um die Uni verdrängen Milchschaumschläger und schnieke Boutiquenbesitzerinnen die niedlichen Antiquariate, in denen man literarische Schätze bergen, aber noch viel wichtiger: Wertvolles aus dem eigenen Bücherschrank verkaufen konnte, wenn es am Monatsende mal wieder eng wurde.
Das kreative Feuer rund um die Kunstakademie ist längst in eine Museumsvitrine verbannt, und ich rede nicht von Malerfürsten, Satirikern und der Bohème des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, sondern von Hippies, Punkern, Neuer Deutschen Welle und Techno.
Doch manchmal springt ein Funken in die Gegenwart über: 1998 hat Alexa Hennig von Lange mit ihrem Debütroman „Relax“ ein Münchner Sommerwochenende zwischen Bier, Shit, Kokain und Ecstasy skizziert, nun kehrt die ehemalige Schwabingerin in ihr altes Viertel am Elisabethplatz zurück, um am 20. April aus ihrem neuen Roman „Peace“ zu lesen. (Update: Da die Renovierung des ehemaligen Untertons nicht rechtzeitig fertig wird, findet die Lesung nunmehr um 20.30 Uhr im bisherigen Theater Undsofort, in der Hans-Sachs-Straße 12 Telefon 23219877, statt.)
An die Gegend hat sie nicht nur gute Erinnerungen: „Dort wurde ich auch einmal von Polizeibeamten des nachts gestellt, weil sie irrtümlich meinten, ich hätte eine Sektflasche auf die Windschutzscheibe eines fahrenden Autos geworfen. Mitnichten. Dennoch wurde ich unschuldig verurteilt.“ Was die Buchstabenfee in meinen Augen nur attraktiver macht: Man traut ihr eben alles zu.
Dieser Text erschien zuerst in der April-Ausgabe des Münchner „Spy Magazins“.
Samstag, 7. März 2009
Schwabing fläzt frontal
Die Sonnenseite des Münchner Nachtlebens liegt in den Cafés, nein nicht drin, sondern vielmehr davor. Insofern führt „Mjunik Disco“ in die Irre, wenn es Schwabing drinnen am Tresen des Café Capri sucht.
Schwabing steht nicht versteckt dumm rum. Schwabing fläzt frontal. Vor dem Lokal. Wo es jeder sehen kann: Daß es nicht arbeitet. Sondern flirtet. Raucht. Kaffee trinkt. Zeitung liest. Quatscht. Und den Rechner eingesteckt läßt. Denn das Notebook macht das Café zum Büro. Das mag in Prenzlberg schick sein und damit natürlich auch im Glockenbachviertel. Aber Schwabing bleibt die Kirche der Cappuccinisten. Keine digitale Bohème, sondern veritable Müßig-, nicht etwa Einzelgänger.
Sackgassen und Nebenstraßen interessieren sie nicht, sie brauchen die Hauptverkehrsader, den steten Puls der Autos, MVV-Linien und Fußgängerherden, denen sie sich wie Stromschnellen in den Weg stellen. Im Venezia am Kurfürstenplatz, dem Macchiato an der Münchner Freiheit, dem Milchhäusl im Englischen Garten, im Barer 61 oder Pavesi an der Türkenstraße – letztere nur gefühltes Schwabing, denn Wahnmoching endet an der Georgenstraße. Doch der Planet Schwabylon schließt das Akademieviertel mit ein.
Und es ist ein Planet der Wahrheit. Nicht der Verstellung wie das Nachtleben, wo die Freiheit grenzenlos ist, weil jeder sich in etwas Besseres verwandeln kann. In Schwabing offenbart sich das wahre Ich: Die Arbeiterbiene, die nur kurz einfliegt und mit ihrem Coffee to go gleich weiterschwirrt. Die Drohne, die geschäftig ihr Meeting ins Café verlagert. Und die Königin, die vielen Königinnen, deren Reich im Kaffeehaus liegt und deren Hymne das Singsang der Milchschaumdüse ist.
Dieser Text erschien zuerst in der März-Ausgabe des Münchner „Spy Magazins“.
(Foto: Narziss und Goldhund)
Schwabing steht nicht versteckt dumm rum. Schwabing fläzt frontal. Vor dem Lokal. Wo es jeder sehen kann: Daß es nicht arbeitet. Sondern flirtet. Raucht. Kaffee trinkt. Zeitung liest. Quatscht. Und den Rechner eingesteckt läßt. Denn das Notebook macht das Café zum Büro. Das mag in Prenzlberg schick sein und damit natürlich auch im Glockenbachviertel. Aber Schwabing bleibt die Kirche der Cappuccinisten. Keine digitale Bohème, sondern veritable Müßig-, nicht etwa Einzelgänger.
Sackgassen und Nebenstraßen interessieren sie nicht, sie brauchen die Hauptverkehrsader, den steten Puls der Autos, MVV-Linien und Fußgängerherden, denen sie sich wie Stromschnellen in den Weg stellen. Im Venezia am Kurfürstenplatz, dem Macchiato an der Münchner Freiheit, dem Milchhäusl im Englischen Garten, im Barer 61 oder Pavesi an der Türkenstraße – letztere nur gefühltes Schwabing, denn Wahnmoching endet an der Georgenstraße. Doch der Planet Schwabylon schließt das Akademieviertel mit ein.
Und es ist ein Planet der Wahrheit. Nicht der Verstellung wie das Nachtleben, wo die Freiheit grenzenlos ist, weil jeder sich in etwas Besseres verwandeln kann. In Schwabing offenbart sich das wahre Ich: Die Arbeiterbiene, die nur kurz einfliegt und mit ihrem Coffee to go gleich weiterschwirrt. Die Drohne, die geschäftig ihr Meeting ins Café verlagert. Und die Königin, die vielen Königinnen, deren Reich im Kaffeehaus liegt und deren Hymne das Singsang der Milchschaumdüse ist.
Dieser Text erschien zuerst in der März-Ausgabe des Münchner „Spy Magazins“.
(Foto: Narziss und Goldhund)
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